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22. Dezember 2024, 11:54:35

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FP russ. Dolmetscher mit dt. Soldaten

Begonnen von leger_de, 22. April 2012, 20:25:35

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leger_de

Ich möchte heute einmal einen FP-Brief vorstellen, der von einer vermutlich russischen Dolmetscherin (Tanja Barabusch) an einen dt. Soldaten bei FP-Nr 00776 = 16. Transport-Bau-Kompanie 649 (K-Nr 699 => FPA 756 in Rostov) gelaufen ist.
Die Dolmetscherin war in einem "Deutschen Postamt für Dolmetscher" tätig. Handelte es sich dabei um eine Zensurstelle für zivile Post aus den besetzten Gebieten, bei der die Hilfe von Dolmetschern benötigt wurde?
Interessant dabei ist sicher auch, das dieser Brief lediglich eine OKW-Durchlaufzensur trägt.
Wie kann man diesen Beleg hinsichtlich der Zuordnung im Michel Handbuch einordnen? Hat da jemand eine Idee?
Beste Grüße
leger_de
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topstar229

ich wurde sagen Feldpostverkehr der Angehörigen der Ostvölker in deutschen Einheiten und Dienststellen Front-Front. Und dann handelt es sich auch noch um eine Frau: ich denke noch seltener!

Wirklich ein Prachtbeleg!

Sprachfuehrer

Hallo leger_de !
Der Name vermutlich Tanja (Tatjana) Barabasch
Gruss
Andrej
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leger_de

#3
@ topstar229
Allerbesten Dank für Deine Einschätzung  zum Beleg.
Die Zuordnung "Feldpostverkehr der Angehörigen der Ostvölker in deutschen Einheiten und Dienststellen Front-Front" würde mich sicher freuen, ist aber vermutlich aus folgenden Gründen nicht ganz klar:
1.) Die Absenderin ist sicher eine ostvölkische Freiwillige. Aber handelt es sich bei der angegebenen Dienststelle um eine militärische Dienststelle? Oder zählen auch Freiwillige in zivilen Dienststellen im Feldpostverkehr mit deutschen Soldaten zu dieser Kategorie? In diesem Zusammenhang wäre dann sicher auch zu klären, warum die Dienststelle "Deutsches Postamt für Dolmetscher" einen stummen Stempel verwendete.
2.) Ist bei der Verwendungsform Front-Front grundsätzlich auch der Feldpostverkehr mit deutschen Soldaten eingeschlossen?

@Sprachfuehrer
Hast Du weitere Informationen zu der angegebenen Dienststelle "Deutsches Postamt für Dolmetscher"?
Läßt sich aufgrund des Namens ggf. die regionale Herkunft von Tanja (Tatjana) Barabasch herleiten?

Außerdem habe ich noch mal einen weiteren Beleg gefunden, der ähnliche Fragen aufwirft.
Es handelt sich um einen frankierten Brief einer Ost-Arbeiterin, die in der Hamburger Wollkämmerei arbeitete, an einen deutschen Soldaten bei der FP-Nr 26350C = Stab II,4.-6. Batterie u. Munitionsstaffel Artillerie-Regiment 297 (später in Stalingrad untergegangen). Da der Brief aus Deutschland über die Reichspost versand wurde, entging er vermutlich der Zensur. Interessant finde ich dabei, dass es offensichtlich recht freie Kontakte zwischen deutschen Soldaten und Ost-Arbeitern gab. Bisher ging ich eigentlich davon aus, dass diese nicht erwünscht waren.
Beste Grüße
leger_de
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Sprachfuehrer

Zitat von: leger_de in 23. April 2012, 18:13:54
Hast Du weitere Informationen zu der angegebenen Dienststelle "Deutsches Postamt für Dolmetscher"?
Nein, aber es wird gesucht  ;)

Zitat von: leger_de in 23. April 2012, 18:13:54
Läßt sich aufgrund des Namens ggf. die regionale Herkunft von Tanja (Tatjana) Barabasch herleiten?
ich würde sagen, ukrainisch zu 30% Wahrscheinlichkeit, rumänisch-moldavisch zu 70%
gruss
andrej
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name301

Hallo,

hier ein F-F-Brief mit Tagesstempel 22.3.42 einer Russin, Ukrainerin?, an einen Sonderführer, mit dem sie evtl ein Verhältnis hatte.

Absender O(lga) Gossorez (oder im Inhalt Olga Goloschenko)

von Feldpostnummer 45422 = Wirtschaftskommando z.b.V. Oppeln
an Feldpostnummer 46935 = Wirtschaftskommando Oppeln, Abteilung Landwirtschaftsgebiet Ssumy

Inhalt 17.III Poltawa.

Die Frau schreibt deutsch oder versucht es zumindest. Sie scheint eine Hilfskraft in der Einheit zu sein.
Die Zensur hat diesen Brief nie gesehen.

Auch hier stellt sich die Frage der Nationalität sowie der Einstufung im Handbuch

leger_de: Du müßtest auch einen Brief dieser Absenderin haben.
Viele Grüße
Name301
Fliegende Einheiten, Stalingrad, Kessel, Zensur, Feldpost aus 45

leger_de

@name301
Jawoll, das ist korrekt. Du kennst ja meine Sammlung bald besser, als ich.  ;D
Bilder dazu im Anhang.
Beste Grüße
leger_de
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Sprachfuehrer

Khm... Die Schreibweise ist ganz unterschiedlich
Mfg
A.
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leger_de

Stimmt! Schon ein bischen eigenartig, da die Unterschiede im Schriftbild erheblich sind. Das kann ich mir auf Anhieb auch nicht erklären. Vielleicht beherschte die gute Frau im März 42 die lateinische Schrift noch nicht gut und ließ den Brief deshalb von jemand Anderen schreiben. Im August 42 schrieb sie die Briefe vielleicht schon selbst. Blanke Vermutung natürlich!  ;)
An der Echtheit beider Belege habe ich trotzdem keine Zweifel.
Beste Grüße
leger_de
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name301

Hallo,

die Briefe stammen aus der Korrespondenz des Sonderführers, von denen ich noch einige besitze, aber nur "normale" Feldpost.
Habe auch keine Zweifel an der Echtheit und genauso die Vermutung, dass jemand anderes den ersten Brief  für die Frau geschrieben hat, vielleicht wegen mangelnder Deutschkenntnisse?

Das sind wieder mal untypische Feldpostbriefe. Entsprechen nicht unbedingt der Vorstellung von russischen Freiwilligen/Hiwis in Deutschen Einheiten.

Viele Grüße
Name301

Viele Grüße
name301
Fliegende Einheiten, Stalingrad, Kessel, Zensur, Feldpost aus 45

leger_de

Hallo,
habe mal wieder einen ähnlich gelagerten Beleg erworben:
FP 20.7.44 an einen deutschen Feldpostinspektor bei FP-Nr 09515 = Feldpostamt 157 / K-Nr 982 = FPA 157 (Raum Mogilev)
geschrieben von einer (vermutlich russischen) Ost-Arbeiterin Malina Dobrowolska aus einem Gemeinschaftslager in Liezen (Steiermark)
Der Brief ist in russischer Sprache verfasst. Der FP-Inspektor war also wohl der russischen Sprache mächtig.
Da der Brief aus Deutschland an die Front versendet wurde, ohne Zensur. Interessant finde ich dabei schon, wie viele offenbar unproblematische Kontakte es zwischen Russen und deutschen Soldaten gab. Ich bin immer davon ausgegangen, dass diese systematisch unterbunden wurden.
Beste Grüße
Leger_de
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Arkul

Hallo Leger_de,  so einfach ist die Antwort nicht!

Dieser Brief ist mein erster "Feldpost-Krimi", dem ich meine Vermutungen beifügen möchte. Er ist nicht in russisch, sondern in ukrainischer Sprache verfasst.

Es ist bemerkenswert, dass die Beschriftung des Kuverts im sauberen Deutsch erfolgte, was daraus schließen lässt, dass dies eindeutig eine Deutsche um die 50 Jahre war (leite ich aus dem Schriftgrad ab) , die auch Buchstaben der Sütterlin-Schrift verwendet hat.
Ich vermute, dass es die Frau vom Feldpostinspektor Oskar Kuhnlein ist. Denn sie kannte und vertraute dem Feldpostinspektor, sonst hätte sie nicht das fremde Schreiben, das nicht in Russisch, sondern in ukrainischer Schrift geschrieben wurde, beigelegt.
Weil die Adressierung in so tadellosem Deutsch ist, dürfte der Brief bei der Weiterleitung keinen Argwohn erregt haben, auch wenn ein russischer Name (Halina Dobrowolska) als Absender aufgebracht war.

Ferner ist festzustellen, dass die im Brief angesprochene "Njurotschka" (russ. Mädchenname) nicht der Adressat des Fp-Briefes ist. Der Feldpostinspektor war bestimmt nicht der ukrainischen Sprache mächtig, die Absenderangabe sollte wohl eher auf den Empfänger hinweisen.
Ich vermute, dass der Feldpostinspektor nur Ãœbermittler des Briefes sein sollte, ohne ihn öffnen zu müssen. Vielleicht war er bei einer Russin/Ukrainerin einquartiert, die den Brief bekommen sollte? Eine verwandschaftliche oder befreundete Beziehung zwischen Halina ( ist die Ã,,ltere der beiden Frauen ) und der Empfängerin Njurotschka (die Jüngere) des Briefinhaltes wäre zu vermuten.

Die Ostarbeiterin aus dem Gemeinschaftslager in Liezen  könnte im Haushalt der Frau des Feldpostinspektors als Haushaltshilfe gearbeitet haben, denn es musste auch hier eine vertrauensvolle Beziehung zur Person bestehen, die das Kuvert beschriftet und aufgegeben hat.
Da der Feldpostinspektor mit einem aktiven Wehrmachtbeamten im militärischen Rang eines Oberleutnants zu vergleichen ist, wäre die vermutete  "Heimatkonstellation" seiner Familie möglich.

Aus der "professionellen" Öffnung des Briefkuverts schließe ich, dass der Feldpostinspektor ihn selbst öffnete und den Inhalt darin beließ, weil zu dieser Zeit das Feldpostamt sich schon im Rückzug befand und der eigentliche Empfänger nicht mehr erreichbar war. Das erklärt auch, warum der Brief mit Inhalt den Krieg überlebte.
Nach "Tessin" wurde die 57. Infant.- Division im Raum Mogilew im Juni 1944 aufgerieben und durch Verfügung vom 3. August 1944 aufgelöst. Durch Befehl vom 14. September 1944 wurde das Fp. Amt 157 aufgelöst.

Für die Übersetzung des Briefes muss ich einen Spezialisten konsultieren; diese wird noch nachgereicht.

MfG  Arkul

Arkul

Hier nun die russiche und deutsche Übersetzung des Briefes. Sie war deshalb so schwierig, weil der Brief mit der Handschrift einer älteren Person in ukrainisch geschrieben wurde.
Aus dem Inhalt geht nun hervor, dass Halina (Absenderin) die Schwester der angesprochenen Njurotschka ist.

                     
Ð"обрый день, Нюрочка.                     19.7.44
Наконец дождались оÑ, Ñ,ебя письма, а прочÑ,я его мы с мамой очень обеспокоились.
Напиши куда именно Ñ,Ñ‹ ранена. Я много писаÑ,ÑŒ не буду поскольку не уверен(а) чÑ,о Ñ,Ñ‹ его (письмо) получишь. Я уже написал(а) Ñ,ебе 4 письма а Ñ,Ñ‹ ни одного не получила.
Когда все у вас будеÑ, Ñ,ак как и раньше начну писаÑ,ÑŒ подробно, чÑ,о, как и почему.
НовосÑ,ей много. Желаю Ñ,ебе всего Ñ...орошего, чÑ,обы Ñ,Ñ‹ скорее вернулась к прежнему сосÑ,оянию.
Жду оÑ,веÑ,а с неÑ,ерпением.
Ð"о всидания. Целуем крепко.
КÑ,о погиб, кÑ,о живой?

Guten Tag, Njurotschka,                     19.7.44
endlich erhielten wir einen Brief von dir, Mama und ich sind nach dem Lesen sehr besorgt.
Schreib, wo genau du verwundet bist. Ich werde nicht viel schreiben, da ich nicht weiß, ob du den Brief erhältst.
Ich habe dir schon 4 Briefe geschrieben, aber du hast keinen erhalten.
Wenn bei euch alles wieder so ist wie früher, schreibe ich dir ausführlich was, wie und warum.
Es gibt viele Neuigkeiten. Ich wünsche dir alles Gute, dass du bald in den vorigen Zustand kommst.
Ich warte ungeduldig auf deine Antwort .
Auf Wiedersehen. Wir küssen dich kräftig.
Wer kam um, wer lebt?

MfG  Arkul                        

leger_de

Hallo Arkul,
allerbesten Dank füer Deine Mühe!
Beste Grüße
Leger_de
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