Frankierte Postkarte eines Schweizer Arztes bei der
zweiten Schweizer Ärztemission an der Ostfront in Warschau. Der Absender ist Dr. Frank Wassner, Schweizer Sanitäts-Hauptmann, im Reserve-Kriegs-Lazarett I Warschau, Poststempel Warschau vom 24. März 1942, auf französisch geschrieben am 24. März 1942, gesendet an das Pathologische Institut in Genf/Schweiz, Zensur ABP Frankfurt.
Der Arzt gibt im Absender die Nummer 1337 an. Diese konnte ich allerdings noch nicht einordnen. Der zweiten Ärztemission waren im Gegensatz zu den anderen Missionen gemäss ARGE Rundbrief 86 keine deutschen Feldpostnummern zugeteilt.
Im Rundbrief 86 schreibt Christian Geissmann, dass sich die zweite Ärztemission in Warschau im Reserve-Kriegslazarett III befunden habe. Der Arzt als Absender der vorliegenden Karte gibt jedoch das Reserve-Kriegslazarett I als seinen Aufenthaltsort an. Vermutlich wurden die Ärzte in verschiedenen Reserve-Lazaretten in Warschau eingesetzt.
Die zweite Ärztemission fand in Warschau vom 5. Januar bis zum 15. April 1942 statt. Insgesamt gab es zwischen zwischen 1941 und 1943 vier solcher Missionen an der Ostfront. Die vom Schweizer Bundesrat (Regierung) genehmigten Missionen standen unter dem Patronat des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) und lösten in der Schweiz innenpolitisch harte Kontroversen aus. Kritisiert wurde insbesondere, dass damit die humanitäre Hilfe instrumentalisiert werde und im Widerspruch zu den wichtigsten Grundwerten des Roten Kreuzes stehe. Der Entscheid, medizinische Teams aus der Schweiz an die deutsch-russische Front zu entsenden, lässt sich nicht mit rein humanitären Motiven begründen. Vielmehr ist darin die Willfährigkeit gewisser Kreise in der Schweiz gegenüber dem Dritten Reich und dessen antibolschewistischer Politik erkennbar. Rein rechtlich betrachtet waren weder die Schweizer Armee noch das SRK – das gemäss den Statuten in Kriegszeiten eine Art Unterabteilung der Armee bildete – befugt, die Leitung solcher Auslandsmissionen zu übernehmen. Deshalb wurde mit einem rechtlichen Kunstgriff ein „Komitee für Hilfsaktionen unter dem Patronat des Schweizerischen Roten Kreuzes“ gebildet. Das medizinische Personal aus der Schweiz setzte sich aus Freiwilligen zusammen. Da die Missionen unter der Schirmherrschaft des SRK standen, gingen die Schweizer Ärzte und Krankenschwestern selbstverständlich davon aus, dass sie gemäss den Rotkreuzgrundsätzen Verwundete und Kranke ohne Unterscheidung nach Staatsangehörigkeit versorgen würden. Doch durch eine vertrauliche Vereinbarung, die Oberstdivisionär Johannes von Muralt (Präsident des SRK und des Komitees für Hilfsaktionen) mit dem Oberkommando der deutschen Wehrmacht abgeschlossen hatte, wurden die Freiwilligen ohne ihr Wissen der Befehlsgewalt der Wehrmacht unterstellt. Mit anderen Worten stellten sich die Schweizer Ärzte und Krankenschwestern, ohne sich dessen bewusst zu sein, in den Dienst des Dritten Reichs.
You are not allowed to view links.
Register or
LoginIch habe einen interessanten Artikel in der Lemberger Zeitung vom 16. April 1942 gefunden: „Schweizer Ärzte im Osteinsatz“. In diesem Artikel wird Dr. Wassner, der Absender der Karte, erwähnt und zitiert. Freilich blendet der Artikel die kritischen Aspekte der Mission aus, welche auch von Teilnehmern innerhalb der zweiten Mission geäussert wurden. Hier der Zeitungsartikel im Wortlaut:
„Eine Schweizer Ärztekommission, der 28 Ärzte, 26 Schwestern, vier Krankenpfleger, sieben Kraftfahrer und vier Verwaltungskräfte angehörten, hatte sich freiwillig zu einer Mission gemeldet, die das „Komitee für Hilfsaktion“ unter dem Patronat des Schweizerischen Roten Kreuzes zusammengestellt sowie ausgerüstet und dem deutschen Heeressanitätsdienst zur Verfügung gestellt hat. Es handelt sich dabei um die zweite derartige Abordnung, die nach dem Osten geschickt worden ist. Während die erste Schweizer Ärztemission von Oktober bis Januar tätig war und sich unter schwierigsten Verhältnissen vollauf bewährte, wurde die zweite Mission in Reservekriegslazaretten seit Januar eingesetzt. In diesen Tagen kehrten die Schweizer nun über Berlin in ihre Heimat zurück.
Der Leiter der zweiten schweizerischen Ärztekommission, Dr. Arnold, kennzeichnete den Auftrag der Mission mit den Worten: „Wir sind an die Ostfront gegangen, um zu arbeiten. Unsere Aufgabe sahen wir darin, zu helfen, uns für die Verwundeten einzusetzen, soweit wir nur können.“ In diesem Sinne waren die Schweizer in den deutschen Lazaretten tätig. Die Ärzte, fast alles ausgebildete Chirurgen, waren vielfach Abteilungsärzte. So schilderte u. a.
Dr. Wassner, Oberarzt an der Chirurgischen Universitätsklinik in Genf, bei einem Besuch im Verbandszimmer seiner Abteilung als er gerade dabei war, einen Verwundeten mit schweren Schussverletzungen zu verbinden und zu schienen, mit folgenden Worten seinen Einsatz: „Anfangs waren wir vielleicht etwas enttäuscht, nicht weiter vorn eingesetzt zu sein. Aber jetzt haben wir gesehen, dass wir als Ärzte hier unendlich viel leisten können. Das volle Vertrauen unseres Chefarztes, und was vielleicht noch wichtiger ist, das volle Vertrauen unserer Patienten ermöglicht uns, dass wir hier nicht nur „mitmachen“, sondern als verantwortungsvolle Abteilungsärzte und kraftvoll einsetzen können“. Eine Schweizer Operationsschwester war, bevor sie sich zusammen mit dem Chefarzt an die Ostfront meldete, Oberschwester eines grossen Sanatoriums in Davos. In einer Operationspause sprach sie von dem Vertrauen, das die deutschen Verwundeten mit den schweizerischen Ärzten und Schwestern ebenso verbindet, wie mit den deutschen. „Ich bin ganz begeistert“, so berichtet sie temperamentvoll, „von diesen Soldaten. Ich bin schon elf Jahre als Krankenschwester tätig, aber solche Patienten habe ich noch nie gehabt. Sie sind alle so tapfer, sie klagen nicht. Sie sind zufrieden, sind kameradschaftlich zueinander und ebenso auch zu uns. Ich werde mich sobald wie möglich wieder zu einer Mission nach Deutschland melden.“ Neben den ärztlichen Leistungen im Dienste der Verwundeten waren für die schweizerischen Ärzte auch die gewonnen kriegschirurgischen Erfahrungen ein wesentliches Erlebnis ihres Osteinsatzes.
Bei einem Abschiedsabend dankte man den Schweizern seitens der Wehrmacht für ihre tatkräftige und opferbereite Mitarbeit und betonte das gute gegenseitige Verhältnis. Auch aus der Ansprache des Leiters der Schweizer Ärztekommission, Dr. Arnold, klang der Dank für die kameradschaftliche Aufnahme, die die Schweizer fanden. Er gab seinem Bedauern Ausdruck, dass die Zeit ihres Einsatzes schon zu Ende ist. Zur Verabschiedung der Schweizer fanden sich neben zahlreichen deutschen Wehrmachtsärzten auch viele Schwestern und Soldaten ein, die damit bekundeten, wie viele Freunde sich die Mission aus dem Alpenland bei ihrer Arbeit erworben hat.“
Grüsse